Verweisung in der Berufsunfähigkeitsversicherung
Bei der Wahl der Berufsunfähigkeitsversicherung spielt die Möglichkeit der sogenannten „Verweisung“ eine entscheidende Rolle: Der Versicherer auf der einen Seite und die Versicherten auf der anderen Seite vertreten gegensätzliche Ansichten über die Verweisung in andere Tätigkeitsfelder bzw. Berufe im Falle der Berufsunfähigkeit. Streitig ist dies insbesondere bei der geplanten Verweisung in Berufe, durch die nur ein gemindertes Einkommen erzielt werden kann, oder der Grad sozialer Wertschätzung sinkt.
Das OLG Frankfurt (Az. 12U 82/08) hatte in diesem Zusammenhang über einen Fall zu befinden, der einen berufsunfähig gewordenen Gerichtsvollzieher betraf, welcher in eine Tätigkeit des mittleren Justizdienstes verwiesen werden sollte. Die gegen diese Verweisung gerichtete Klage des Gerichtsvollziehers hatte Erfolg – insbesondere aufgrund des verminderten Einkommens. So stellte das Gericht fest, dass eine Einkommenseinbuße von 30% die Schwelle der Erheblichkeit übersteigt und damit eine Verweisung ausschließt. Inzwischen hat sich in der Rechtsprechung die Ansicht gefestigt, dass ab einer Einbuße von 20% und mehr die Unzumutbarkeit der Verweisung vorliegt.
Weniger greifbar ist hingegen das Argument der geringeren sozialen Wertschätzung. Eine solche Wertschätzung ist gerichtlich nicht feststellbar und somit ein zu unklares und nicht greifbares Argument gegen eine Verweisung. Daneben hat allerdings das OLG München entschieden, dass allein die Verminderung der Arbeitszeit kein ausreichender Ausgleich für die Einkommenseinbuße darstellen kann.
Für die Praxis ergibt sich hieraus Folgendes: Die Verweisung in einen anderen Beruf scheidet klar bei einer Einkommenseinbuße von 20% aus. Daher ist es für den Versicherungsinteressierten umso wichtiger, eine Berufsunfähigkeitsversicherung zu wählen, die klare und eindeutige Regelungen in ihren Vertragsbedingungen aufstellen. Neben dem Preis sollte also insbesondere auf die Verweisungsoptionen Acht gegeben werden, die sich der Versicherer offen hält. Einer Versicherung, die Versicherungsschutz zum „Dumpingpreis“ verspricht, sollte demzufolge ein gesundes Misstrauen entgegen gebracht werden, da hier angenommen werden kann, dass sich der Versicherer eine Vielzahl an Verweisungsmöglichkeiten einräumt.
Inzwischen haben einige Versicherer auf die durch die Rechtsprechung entwickelten Zumutbarkeitsregelungen reagiert und diese in ihrem Vertragsregelwerk aufgenommen:
(…) In den beiden zuvor genannten Fällen ist es darüber hinaus nicht zumutbar, dass das jährliche Bruttoeinkommen 20 % oder mehr unter dem Bruttoeinkommen im zuletzt ausgeübten Beruf vor Eintritt der gesundheitlichen Beeinträchtigung liegt. Sollte der Bundesgerichtshof einen geringeren Prozentsatz als nicht zumutbare Einkommensminderung festlegen, ist dieser auch für uns maßgeblich. (Auszug aus den BU Bedingungen der Alten Leipziger, Tarif BV10, Stand 2011)
Auch solche und weitere Regelungen können keine Garantie für die unmittelbare Zahlung im Falle der Berufsunfähigkeit geben. Jeder Einzelfall weist individuelle Bedingungen auf, die unterschiedlich zu bewerten sind und folglich zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können. Wenn Sie allerdings auf klar formulierte Regelungen insbesondere in Bezug auf die Leistungsbedingungen im Versicherungsfall geachtet haben, haben Sie das Risiko einer Verweisung erheblich reduziert.